Die Pflichtteilergänzung
Der vorgenannte ordentliche Pflichtteilanspruch wird unter Umständen ergänzt um den Wert, um welchen der Erblasser den Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten oder durch die Zuwendung von Lebensversicherungen an andere Begünstigte vermindert hat. Die sich so ergebenden Ansprüche nennt man Pflichtteilergänzungsansprüche.
Beispiel: Der Erblasser hat seiner neuen Ehefrau einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie geschenkt. Da die verschenkten Werte beim Tod nicht mehr zum Nachlass gehören, ergeben sich hieraus keine ordentlichen Pflichtteilansprüche für die enterbten erstehelichen Kinder. Das ist ungerecht. Deshalb wird der ordentliche Pflichtteil um den anteiligen Wert der Schenkung ergänzt.
Während Pflichtteilansprüche nur solchen Personen zustehen können, die nicht Erben sind, können Pflichtteilergänzungsansprüche im Einzelfall auch dem Erben zustehen. Auch wenn sie Erben geworden sind, vielleicht sogar Alleinerben, sollen sie wirtschaftlich so stehen, dass sie zumindest ihren Pflichtteil erhalten.
Zu Pflichtteilergänzungsansprüchen führen die Schenkungen, welche der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor dem Todesfall vorgenommen hat. Bei Schenkungen an den Ehegatten gilt die 10-Jahresfrist nicht.
Aber auch diese Frist sollte Sie keinesfalls abhalten, sich anwaltlich beraten zu lassen: es gibt auch Schenkungen, die länger zurückliegen, also beispielsweise 25 oder 30 Jahre, und die dennoch zu Pflichtteilergänzungsansprüchen führen. Das gilt zum Beispiel bei Schenkungen an einen Ehepartner oder bei Schenkungen, bei denen sich der Schenker, also der spätere Erblasser, die fortdauernde Nutzung des Geschenkten vorbehalten hat (Nießbrauch).
Die Einzelheiten sind oft sehr streitanfällig. Sie sollten sich daher rechtzeitig und genau informieren.